Offener Brief an Staatssekretärin Claudia Plakolm

Klimaaktivist*innen sind NORMAL!

Sehr geehrte Frau Plakolm,

In Ihrem Gespräch mit der Klimaaktivistin Anja Windl (Standard, 10.8.23) bezeichnen Sie nun auch die Menschen als „nicht normal“, die „fahnenschwenkend auf Demos lautstark ihre Meinung kundtun“. Das ist mehr als nur verstörend. Die Versammlungsfreiheit wird durch Artikel 12 Staatsgrundgesetz (StGG) sowie Artikel 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleistet. Im Artikel 13 StGG ist das Recht auf Meinungsfreiheit festgelegt. Sie empfinden es als demokratisch legitim, Ihre eigene Meinung zu „normal“ zu haben. Aber Sie halten es für „nicht normal“, wenn wir Klimaaktivist*innen ganz legal Gebrauch machen von unserem verfassungsrechtlich garantierten Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Warum?

Beim letzten großen Klimastreik in Wien im Frühjahr 2023 waren etwa 30.000 Menschen auf der Straße. Jung und Alt bunt gemischt, Schüler*innen, Student*innen, Eltern, Großeltern, Menschen vieler Berufsgruppen, ein breiter Querschnitt der Bevölkerung. Sie aber unterstellen uns, nicht zu den Normalen zu gehören, „die tagtäglich in der Früh aufstehen, arbeiten gehen, Steuern zahlen, für ihre Familien sorgen und sich ehrenamtlich engagieren für Zusammenhalt in der Gesellschaft“. Kennen Sie uns? Waren Sie schon einmal bei einer solchen Demo dabei? Sie schätzen, so lesen wir,  die ruhige Diskussion mit Frau Windl. Haben Sie auch schon mit den Menschen dort auf der Demo geredet? 

Wir sind alle Menschen, denen die Zukunft unserer Welt, die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder eine Herzensangelegenheit ist. Sie begrüßen Engagement. Für uns ist es normal, sich dafür hier und jetzt zu engagieren. Warum können Sie unsere Sorgen und unser sich daraus ergebendes Engagement nicht verstehen? Sie sind doch als Staatssekretäting für die Jugend zuständig. Wie passt das zusammen?

Mit der von der ÖVP forcierten Einteilung in „normale“ und „nicht normale Menschen“, schlimmer noch in „Normale“ und „Radikale“, also in friedliche, gut funktionierende und stille Menschen und kritische, ihre Meinung äußernde Bürgerinnen und Bürger ziehen Sie eine Trennlinie durch unsere freie und liberale demokratische Gesellschaft. Das ist höchst gefährlich! Das ist genau das, was dem Totalitarismus nahestehende politische Gruppierungen wie etwa die FPÖ, die deutsche AfD oder die ungarische Fidez machen: das Ausgrenzen, das zum Feind machen derjenigen, die nicht ins eigene Bild passen, die nicht ihrer Meinung sind. Das darf in Österreich nicht geschehen!